Lärmschutz und mechanische Belüftung

Eine mechanische Belüftung ist nur eine halbe Lösung für lärmige Wohnlagen. Die Lärmgrenzwerte gelten am offenen Fenster – auch bei mechanischer Belüftung. Grundsätzlich sind Wohnräume mit Fenstern zu versehen, welche ins Freie führen und geöffnet werden können. Nach der Lärmschutzverordnung muss der Lärm am offenen Fenster beurteilt werden.

Lärmmessung. Das offene Fenster vertritt auch die Gesamtsituation einschliesslich Aussenraum.

 

Das Fenster als Verbindung zum Wohnumfeld

Im offenen Fenster ermitteln, heisst aber auch mit offenem Fenster leben. Die erwähnten Vorschriften garantieren in ihrer Kombination die Qualität einer Wohnlage bezüglich Lärmbelastung. Dass Wohnungen solche Lüftungsfenster haben müssen, gilt auch, wenn – wie bei Minergie-Häusern – eine mechanische Belüftung in der kalten Jahreszeit den Luftaustausch via Fenster ersetzt.

René Magritte’s “Fenster”. Das Bild von einem Fenster ist weder geeignet zum Belichten noch fürs Lüften. Ein Fenster bietet mehr als nur ein Bild der Aussenwelt. Das offene Fenster macht den Aussenraum über alle Sinne erfahrbar.

Die Fenster in Gebäuden sind ja viel mehr als eine Einrichtung für Licht und Luftaustausch. Die Fenster symbolisieren immer die Verbindung zwischen Aussen und Innen. Fenster bieten einen Blick in die Welt – sei es auf die Natur oder den öffentlichen städtischen Raum. Das offene Fenster verknüpft das Wohnumfeld mit der Wohnung. Aussentemperatur, Wind und Wetter wie auch die Düfte und Gerüche der Umgebung werden durch das offene Fenster erfahrbar. Ebenso kann über das Fenster mit anderen Menschen ausserhalb der Wohnung kommuniziert werden.
Umgekehrt schottet ein Fenster, welches nicht geöffnet werden kann, das Innere des Gebäudes von der Aussenwelt ab.

Mechanische Belüftung von Wohnungen

Mechanische Lüftungen waren seit jeher als energetische Massnahme gedacht und können nicht beiläufig als Lärmschutz fungieren. Sie sind insbesondere bei Wohnungen keine Alternative zum öffenbaren Fenster.

Die Gründe lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Wohnen gehört zu den lärmempfindlichsten Nutzungen. Gute Wohnqualität zeichnet sich auch durch ein ruhiges Wohnumfeld aus. Die Lärmschutzgesetzgebung schützt im engeren Sinne jedoch nur die Wohnräume. Mit dem Beurteilungspunkt am offenen Fenster wird aber auch dem Wohnumfeld ein gewisser Schutz zugestanden.
  • Die Erfahrung hat gezeigt, dass mechanische Lüftungen – zumindest im Mietwohnungssegment – schlecht akzeptiert werden. Es ist nicht dasselbe, ob man das Fenster nach Bedarf selbst öffnen und wieder schliessen kann oder ob die frische Luft über eine automatisierte Einrichtung gesteuert wird. Dies zeigt sich auch bei Minergiehäusern an ruhiger Lage. Die Bewohner möchten in der warmen Jahreszeit die Fenster offen halten.
  • Im Winter macht eine mechanische Belüftug durchaus Sinn, da sie den Wärmeverlust optimal reguliert und die meisten Leute kein Bedürfnis haben, das Fenster zu öffnen. Im Sommer und in der Zwischensaison hingegen möchten viele Menschen über das Fenster die Verbindung zum Aussenraum herstellen. Wenn im Frühling nach Monaten die ersten Sonnenstrahlen durch die Nebeldecke dringen und es wärmer wird, so will man die Fenster öffnen, um Wetter und Gerüche erlebbar zu machen.
  • Hohe Einzelpegel, welche durch den Überflug eines Jets in flughafennahen Gebieten verursacht werden, sind auch bei geschlossenem Fenster und mechanischer Lüftung gut hörbar und können jemanden mitten in der Nacht aufwecken. Dasselbe gilt für den Güterzug, den nächtlichen Motorradrowdy und die sogenannt sportlichen Autofahrer. Ein entferntes nächtliches Autobahnrauschen hingegen kann mit einer mechanischen Belüftung und geschlossenem Fenster gut gedämpft werden.
  • Vorab Einzelraumlüftungsgeräte haben ein stetes, wenn auch geringes Eigenrauschen, welches als unangenehm empfunden werden kann. In höheren Leistungsstufen kann dieses Rauschen der Ventilatoren auch schon mal störend werden.
  • In sehr gut wärmegedämmten Gebäuden wird es im Hochsommer oft schwierig, die Räume in den kurzen Sommernächten genügend abzukühlen. Die Minergievorschriften verlangen zum einen Beschattungsmöglichkeiten, zum andern eine Abkühlung über das normale Fenster. In solchen Fällen wird die aus Lärmschutzgründen installierte mechanische Belüftung wirkungslos.
  • Mechanische Belüftungen sind aufwendig im Unterhalt, z. B. müssen die Filter regelmässig gereinigt und periodisch ersetzt werden.

Die Installation einer Gesamtlüftung (Wohnungslüftung) ist aus Lärmschutzsicht für Wohnbauten nur dann zweckmässig, wenn bei Grenzwertüberschreitungen am Lüftungsfenster Ausnahmen gewährt werden. Dahinter steckt die Einsicht, dass wenn schon am offenen Fenster die Grenzwerte überschritten sein dürfen, wenigstens in der Nacht bei geschlossenem Fenster frische Luft zugeführt werden kann.

Lüftungsanlage. Das technisch komplexe Gerät sorgt für gute Luftqualität und Energieeffizienz, bietet aber nicht alle Funktionen eines Fensters.

Rechtlich handelt es sich bei dieser Auflage um eine Verschärfung der Anforderungen an die Aussenbauteile nach Art. 32 Abs 2 LSV. Die Grenzwerte bleiben überschritten, und für die Ausnahmen müssen von der Gemeinde überwiegende Interessen am Bau dieser Wohnungen geltend gemacht werden.

 

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