Interessenabwägung

Interessenabwägung Ausnahmebewilligung

Die Lärmgrenzwerte müssen an allen Fenstern von lärmempfindlichen Wohnräumen eingehalten werden. Verbleiben nach einer Lärmoptimierung Überschreitungen, so können nach Art. 31 Abs. 2 der Lärmschutzverordnung (LSV) Ausnahmebewilligungen erteilt werden.

Art. 31 Baubewilligung in lärmbelasteten Gebieten

 

Ausnahme nur ausnahmsweise

Eine Ausnahmebewilligung setzt eine auf den Einzelfall abgestimmte umfassende Interessenabwägung voraus. Die Interessenabwägung stellt hohe Anforderungen an die Vollzugsbehörden. Der Entscheid muss nachvollziehbar begründet werden. Damit er auch im Rekursfall Bestand hat, sind die Überlegungen, die zum Entscheid geführt haben, sorgfältig zu dokumentieren.

Kantone Aargau & Zürich: Interessenabwägung nach Art. 31 Abs. 2 LSV im Baubewilligungsprozess (2022)

Kanton Thurgau: Interessenabwägung nach Art. 31 Abs. 2 LSV im Baubewilligungsprozess (2023)

 

Optimierung geht vor Ausnahme

Die Erteilung einer Ausnahmebewilligung bedarf der Zustimmung durch die kantonale Behörde. Sie erfolgt im Rahmen des ordentlichen Baubewilligungsverfahrens. Der lärmtechnischen und wohnhygienischen Projektoptimierung wird im Rahmen des Verfahrens seitens Kanton besondere Beachtung geschenkt. Eine Ausnahmebewilligung kann nur erteilt werden, wenn öffentliche Interessen am Projekt das Interesse am Lärmschutz überwiegen. Je gewichtiger die Lärmschutzinteressen im konkreten Fall gegen das Bauprojekt sprechen, umso stärker müssen gegenläufige Interessen in die Waagschale fallen, damit sie im Sinne von Art. 31 Abs. 2 LSV überwiegen und das Bauprojekt rechtfertigen können.

 

Haushälterischer Umgang – was denn sonst …

Gerne wird das den Lärmschutz überwiegende Interesse an einem Bauvorhaben mit der hohen Nachfrage nach Wohnraum bei gleichzeitig knappem Angebot an überbaubarer Fläche begründet. Eine solch pauschale Begründung ist nicht sehr rekursfest. Dabei gibt es durchaus starke Argumente, die ein Bauvorhaben im Lärm rechtfertigen können. Die nebenstehende Tabelle zeigt verschiedene Kriterien, die für oder gegen eine Ausnahmebewilligung sprechen können.

Argumente der Ausnahmebewilligung 

Pro Ausnahme Contra Ausnahme
Lärmschutz
Ausmass Lärmbelastung an der exponierten Fassade IGW ES II sind nur geringfügig überschritten. IGW ES III sind überschritten.
Belastung nahe oder über dem AW.
Gesundheitsschutz Neubau verbessert die Lärmsituation für viele Betroffene Neubau verbessert die Lärmsituation für wenige oder keine Betroffene
Wesentlichkeit der Überschreitung Überschreitung kleiner als 4 dB(A) Überschreitung grösser als 4 dB(A)
Zeitliche Einwirkung IGW nur am Tag / nur in der Nacht überschritten. IGW Tag und Nacht überschritten.
Anzahl Betroffene  Wenig, eine bis drei Wohneinheiten bzw. weniger als 50% der Wohneinheiten Viel, mehr als drei Wohneinheiten bzw. mehr als 50% der Wohneinheiten
Lüftungsfenster als Massnahme Die überwiegende Mehrheit der Räume lässt sich über ein Lüftungsfenster unter dem IGW belüften Bei mehr als einem Drittel der Räume pro Wohneinheit liegt die Belastung bei jedem Fenster über dem IGW.
Stellung / Form der Gebäudekörper Baukörper schaffen lärmgeschützte Aussenräume
(Riegel, Blockrand, …) .
Punktbauten, mehrseitig lärmexponiert.
Anordnung der Nutzungen Lärmunempfindliche Nutzung und Gewerbe in Bereichen mit höchster Lärmbelastung. Lärmempfindliche Wohnnutzung in den Bereichen mit höchster Lärmbelastung.
Wohnqualität I
(innen)
Viele Räume können unter dem IGW der ES II belüftet werden. Jede Wohneinheit verfügt über ruhige Räume. Alle Räume können nur knapp unter dem IGW der ES III belüftet werden.
Wohnqualität II (aussen) Jede Wohneinheit verfügt über ruhige Aussenräume 
(Belastung unter IGW ES II (Tag)).
Belastete Wohneinheiten verfügen nicht über ruhige Aussenräume
(Tag-Belastung unter IGW ES II).
Raumplanung 
Perimeter “Baulücke” (< 1 ha) “Baugebietslücke” (> 1 ha)
Lage zentrumsnah peripher
öV-Erschliessung
(Güteklasse) 
gut (A bis C) schlecht (D bis F)
Nutzung Hoher Wohnanteil in Wohnzone. Mind. 20% Gewerbe in der Mischzone. Reine Wohnüberbauungen in Mischzone. Wohnnutzung in Gewerbezone.
Entwicklung nach Innen Gebiete mit hohem Verdichtungspotential (Richtplanung). Gebiete mit niedrigem Verdichtungspotential
(Richtplanung).
Bauvorhaben
Neubau, Änderung Ersatz Wesentliche Änderung / Ersatz einer bestehenden Baute Neubau auf unbebauter Parzelle
Interessen Baute für öffentliche Zwecke (Altersheim, Asylunterkünfte, …).  Baute mit vorwiegenden Renditezielen.
Denkmal- und Ortsbildschutz Instandstellung / Erhalt inventarisierter Objekte Art / Umfang der Lärmschutz­massnahmen nur wenig eingeschränkt